Die Geschichte der Großstadt-Mission

Eine spannende Zeitreise von 1911 bis heute
Alles begann mit einer traurigen Geschichte. Aus dem eiskalten Wasser der Hamburger Alster wurde die Leiche einer jungen Frau geborgen. Sie hatte nichts dabei. Ihre Taschen waren leer. Bis auf einen kleinen Zettel. Auf dem stand: „Verwandte habe ich nicht, habe keinen Menschen. Ich kann nicht weiter!“

Dieses tragische Ereignis rüttelte Menschen wach. Es musste was geschehen. Jungen Frauen, die sich in einer verzweifelten Lage befanden, sollte geholfen werden. Louise Gottschalg ergriff vor gut 100 Jahren die Initiative.  Mit einem brennenden Herzen, aber leerem Geldbeutel machte sie sich auf den Weg. Sie wollte helfen und suchte Verbündete. Sie fand den Zugang zu wohlhabenden Frauen aus den gutbürgerlichen Häusern Hamburgs. Darunter Elise Mathilde Mönckeberg, die Ehefrau des Hamburger Bürgermeisters.

files/mission/bilder/100jahrediakonisch4.jpgNach knapp einem Jahr wurde am 16. Februar 1911 die „Stiftung Frauenkolonie“ Prisdorf (bei Pinneberg in Schleswig-Holstein) gegründet. Im Protokoll heißt es: „Am Leben zerbrochene, verlassene und verstoßene Frauen und Mädchen sollen dem wüsten Treiben und Gefahren der Großstadt entnommen werden. Stattdessen sollen sie in der Landwirtschaft, beim Gemüsebau sowie in der Wäscherei und Näherei eine sinnvolle Beschäftigung finden. Dabei sollen sie die rettende und umgestaltende Kraft des Evangeliums erfahren“. 

Hier wurde in vorbildlicher Weise umgesetzt, was die Diakonie sich bis in die Gegenwart auf die Fahnen geschrieben hat: Menschen in Not in der Tat der praktischen Nächstenliebe beistehen und ihnen das Evangelium von Jesus Christus bezeugen. Erbauliche Sonntagsreden bleiben blass und lösen sich auf wie der Nebel, wenn auf das Reden und Hören nicht die Tat folgt. Darum hieß die Zeitschrift der Großstadt-Mission über eine lange Zeit nicht ohne Grund „Wort und Werk“.

Staatliche oder kirchliche Unterstützung gab es in der Gründerzeit nicht. Die Betreuten und die Mitarbeiter(innen) mussten hart arbeiten, um sich den Lebensunterhalt zu sichern. Für das Pinneberger Krankenhaus wurde die Wäsche gewaschen. Den Transport bewältigte man mit Pferd und Leiterwagen. Als das Pferd starb, konnte aus Geldmangel kein Ersatz angeschafft werden. Also wurde eine willige Kuh vor den Wagen gespannt.

Bedingt durch den ersten Weltkrieg und die Inflation kam die Frauenkolonie, die sich zwischenzeitlich in „Jungmädchenheim Prisdorf“ umbenannt hatte, an den Rand der Insolvenz. In dieser Zeit (1920) wurde die Großstadt-Mission durch Prediger Wilhelm Müsken gegründet, der in der Christlichen Gemeinschaft in Hamburg-Altona tätig war. Kurz nach der Gründung übernahm sie auf Bitten der Verantwortlichen das Jungmädchenheim Prisdorf. Das war alles andere als eine „feindliche Übernahme“, sondern ein großes Wagnis, ein Glaubensschritt. Die Leitung der Großstadt-Mission sah sich trotz mancher Unwägbarkeit in der Pflicht. Gott hatte ihnen eine große Aufgabe vor die Füße gelegt. Im Vertrauen auf seine Hilfe sahen sie sich berufen, sich der Herausforderung zu stellen.

Das diakonische Engagement in Prisdorf ist von den Anfängen her eng mit dem Diakonissenmutterhaus „Friedenshort“ verknüpft. Das Haus befand sich in Miechowitz (Oberschlesien). Die bekannte Gründerin dieser Arbeit ist Eva von Tiele-Winckler (1866-1933). Sie wollte heimatlosen Kindern einen Neuanfang in einem neuen Zuhause ermöglichen.  Den „Friedenshort“ gibt es bis heute, hat seinen Sitz in Freudenberg (Westfalen) und hat sich wie die Arbeit der Großstadt-Mission zu einem modernen sozial-diakonischen Träger entwickelt.

files/mission/bilder/100jahrediakonisch3.jpgEnde des zweiten Weltkrieges wurden auch eines die beiden Hamburger Kinderheime der Großstadt-Mission von Bomben getroffen. Zunächst wurden die Kinder provisorisch im Saal des Jungmädchenheimes in Prisdorf untergebracht. Bald entstanden im Prisdorfer Dahl die Holzbaracken. Hier fanden die Kinder ihr Zuhause. Zu Spitzenzeiten wurden über 100 Kinder und Jugendliche im Prisdorfer Kinderheim begleitet.

In den letzten Jahrzehnten haben sich die Schwerpunkte der sozial-diakonischen Arbeit in Prisdorf nochmals rasant entwickelt und verändert. Die Kinder- und Jugendhilfe wurde größtenteils nach Hamburg verlegt. Im „Haus am Ellernstrang“ in Prisdorf existierte bis zum Jahr 1998 eine berufsvorbereitende Einrichtung für lernbehinderte junge Frauen. Aus diesem Engagement hat sich die umfangreiche Arbeit mit Menschen mit Behinderungen entwickelt.

files/mission/bilder/100jahrediakonisch2.jpgHeute leben 40 Erwachsene stationär begleitet in den vier Prisdorfer Wohngruppen der Eingliederungshilfe. Andere sind so weit selbstständig, dass sie im eigenen Wohnraum leben und nur noch eine ambulante Hilfe benötigen. Die Betreuten werden gefördert und unterstützt, um in größtmöglicher Eigenständigkeit leben zu können. Gemäß dem Motto der Großstadt-Mission: „Gemeinsam Leben gestalten!“

Wir möchten den uns anvertrauten Menschen ein echtes Zuhause bieten und ihnen Perspektiven für ihr Leben eröffnen. Wir sind davon überzeugt, dass jeder Mensch über ein kreatives Potenzial verfügt, das für die persönliche Lebensgestaltung geweckt werden kann“, erklärt Broer Broers, geistlich-theologische Leiter der Großstadt-Mission. Er unterstreicht weiter, dass in der pädagogischen Arbeit der Fokus auf dem liegt, was die Betreuten an Gaben und Fähigkeiten mitbringen. Das diakonische Engagement wird vom christlichen Menschenbild getragen. Danach ist jedes Individuum ein Geschöpf Gottes, das unabhängig von Leistung und Status seinen einmaligen Wert hat.

Bei der Großstadt-Mission engagieren sich rund 260 Mitarbeitende für etwa 800 betreute Kinder und Jugendliche und Menschen mit Behinderungen.

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